Schwindende Geburtenzahlen, schrumpfende Bevölkerung im Osten – bleiben die Schaukeln für immer leer? Foto: anamejia18, istock
Stirbt der Osten aus?
Deutschland erlebt derzeit einen massiven Rückgang der Geburten – und der Osten ist besonders stark betroffen. Wie sieht die Lage genau aus und lässt sich der Trend wieder umkehren?
Vor allem in Ostdeutschland werden weitaus weniger Kinder geboren als früher. „Ganz offenbar haben die Coronakrise, der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und die nachfolgenden Realeinkommenseinbußen aufgrund hoher Inflation viele junge Familien dazu bewogen, mögliche Kinderwünsche erst einmal aufzuschieben“, sagt Joachim Ragnitz von der ifo Niederlassung Dresden. Das Institut zeigt in einer aktuellen Publikation die Anzahl der Geburten in den vergangenen zwölf Jahren auf, die im Osten seit 2015 ebenso kontinuierlich zurückging wie die Geburtenrate. Die fiel vor allem in den vergangenen drei Jahren massiv ab.
Die Geburtenzahlen im Detail
- Deutschlandweit wurden 2021 795.500 Kinder geboren, 2023 nur noch 693.000 (minus 13 %).
- In den ostdeutschen Flächenländern sanken die Geburtenzahlen währenddessen von 94.800 auf 78.300 Kinder (minus 17,5 %).
- Die Geburtenziffer verringerte sich 2021 bis 2023 im Osten von 1,54 auf 1,30 (Westen: 1,61 zu 1,38)
- In den letzten Jahren sank verstärkt die Zahl der Erstgeborenen Kinder, das heißt, es werden immer weniger Familien gegründet.
Ostdeutschland in Männerhand?
Während die schnell aufeinander folgenden globalen Krisen vor allen seit 2021 für seltener erfüllte Kinderwünsche sorgten, führt ein weiteres Problem sogar zu dauerhaft ausbleibendem Nachwuchs: der Frauenmangel im Osten. Schon nach der deutschen Wiedervereinigung waren es insbesondere junge Frauen, die in den Westen abwanderten, und mit ihnen potenzielle Mütter. Wie das ifo Institut ermittelte, setzt sich dieser Trend bis heute fort. So ging die Anzahl der Frauen in der Altersgruppe 15 bis 50 im Osten seit 2011 um rund 10 Prozent zurück, während sie im Westen in einem ähnlichen Maße zunahm. Das hat mittlerweile soweit geführt, dass in einigen besonders strukturschwachen Regionen 25 Prozent mehr Männer als Frauen leben – ähnlich wie im eisigen Grönland oder auf einigen abgelegenen griechischen Inseln. Am deutlichsten ist der Überhang an Männern in der für Familiengründungen wichtigen Altersgruppe der 18- bis unter 35-Jährigen ausgeprägt. Während es an Frauen mangelt, gibt es ältere Menschen im Überfluss: 27 Prozent der Menschen im Osten sind älter als 65 Jahre (Westen: 22 Prozent) – da kann nur Japan mithalten.
Boom oder Doom?
Wenig Frauen, immer weniger Nachwuchs und eine alternde Bevölkerung – ist der Osten vom Aussterben bedroht? Wenn sich die langfristigen Trends fortsetzen, dann: ja. Seit 1990 verlor der Osten 15 Prozent seiner Bevölkerung. Die Geburtenrate ist aktuell deutschlandweit zu niedrig, um die Bevölkerung zu halten. Für Ausgleich hätte nur Zuwanderung sorgen können – jedoch entschieden sich knapp 90 Prozent aller Immigranten der vergangenen drei Jahrzehnte für den Westen, der allein dadurch um 9,4 Millionen Einwohner wachsen konnte.
Glücklicherweise gibt es genug Gründe, im Angesicht dieser Zahlen trotzdem optimistisch zu sein. Als Lokalmagazin blicken wir dabei vor allem auf die lauter-Region Lausitz. Unsere Heimat erlebt derzeit ihre größte Veränderung seit der Wende, und strebt diesmal klar nach oben. Um den Braunkohleausstieg zu kompensieren, investiert die Bundesregierung bis 2038 über 17 Milliarden Euro in die Region und finanziert damit Projekte wie das neue ICE-Instandhaltungswerk und die Medizinuniversität in Cottbus oder das Deutsche Zentrum für Astrophysik in Görlitz. Dieser Aufschwung macht die Lausitz wiederum attraktiver für Investoren, die mit Neuansiedlungen oder Fabrikerweiterungen weitere rund 20 Milliarden Euro angekündigt haben. Und das, obwohl der Marathon „Strukturentwicklung 2038“ noch am Anfang ist.
Merken, wie gut man es hat
Unterm Strich könnten auf etwa 8.000 direkt aus der Braunkohle wegfallende Jobs mindestens 20.000 neue Arbeitsplätze folgen. Dass hier die Grundstücks-, Miet- und Lebenserhaltungskosten vergleichsweise niedrig sind und als Bergbaufolgelandschaft Europas größtes künstliches Wasserrevier entsteht, rundet das Gesamtpaket ab: Die Lausitz ist schon heute eine besonders attraktive Region zum Niederlassen – und es wird in den nächsten Jahren immer interessanter. Diese Perspektive heute dem Nachwuchs aufzuzeigen, könnte ein Schlüssel dafür sein, dass mehr junge Menschen nach dem Schulabschluss in der Region bleiben, ihre Familie im Osten gründen und ihn so vor dem Aussterben bewahren.